Darknet-Experte im Interview:
Otto Hostettler
Otto Hostettler hat fast 30 Jahre Erfahrung im Journalismus und ist seit 2007 als Redaktor / Reporter beim «Beobachter» tätig. 2011 erhielt er den Zürcher Journalistenpreis für seine Artikel über Verding- und Heimkinder. Herr Hostettler ist Mitbegründer des Schweizer Recherchenetzwerks investigativ.ch und erlangte vor zwei Jahren einen MAS in Economic Crime Investigation. Letztes Jahr erschien sein Buch «DARKNET – Die Schattenwelt des Internets».
Fangen wir mit einer ganz einfachen Frage an. Was ist das Darknet überhaupt?
Otto Hostettler: Man kann es am einfachsten so erklären, dass es derjenige Bereich des Internets ist, der eine andere URL-Struktur hat und der Domain-Name mit «.onion» endet. Das heisst, diese Seite kann nur mit einem Browser aufgerufen werden, der jegliche Informationen zum Standort verschleiert. Man kann nur mit einem anonymisierten Browser die Onion-Seite aufrufen. Dieser Bereich des Internets ist also anonym.
Und was ist der Unterschied zum Deepweb?
Manchmal gibt es diesbezüglich Missverständnisse. Manche meinen Darknet und schreiben Deepweb. Ich verstehe unter Deepweb den Bereich, der nicht ganz an der Oberfläche ist im offenen Internet, aber es ist ein Teil vom offenen Internet. Mit einer guten Google-Suchtechnik kommt man dort rein. Das sind zum Beispiel Dateien, die zwar im Internet sind, aber nicht auf die Schnelle erreichbar sind. Diese liegen dann tiefer und können zum Beispiel durch ein Passwort geschützt sein. Es gibt Millionen Webseiten, die immer noch im Internet auffindbar sind, aber sie sind nicht mehr verlinkt und daher nicht mehr ganz an der Oberfläche.
Sie sind bei der ersten Frage schon ein wenig darauf eingegangen, aber wie kommt man als Laie ins Darknet?
Dafür muss man das Internet verstehen. Man sollte sich erkundigen und ausprobieren. Gerade als Journalist sollte man bei heiklen Themen anonym recherchieren können. Also unbedingt den TOR-Browser herunterladen und ausprobieren.
Was sind denn die Vor- und Nachteile des Darknet?
Ein Vorteil ist, dass zum Beispiel Menschen aus diktatorischen Staaten anonym surfen und ihre Meinung kundtun können. Der Nachteil ist, dass jeder Bereich auch für kriminelle Machenschaften genutzt werden kann. Es gibt dort riesige Marktplätze für Hackingdienste, für Waffen, Drogen, gefälschte Markenprodukte etc.
Aber das Darknet ist nicht per se illegal, oder? Es kommt vielmehr darauf an, was man dort macht.
Es gibt viele verschiedene Bereiche des Darknet, natürlich auch illegale. Zum Beispiel solche mit illegalen pornografischen Inhalten. Das sind sozusagen eigene kleine Darknets mit eigenen anonymisierten Browsern. Aber das Darknet ist grundsätzlich nicht illegal, es ist einfach der anonyme Teil vom Internet. Es ist so strukturiert, dass derjenige, der eine Seite aufruft oder auch aufschaltet, anonym bleiben kann. So kann zum Beispiel ein Menschenrechtsaktivist in Syrien einen Blog veröffentlichen, ohne enttarnt zu werden.
Interview: Eylem Polat